Neu – neu – neu

Es war einmal ein kleines Mädchen, das jeder lieb hatte, der es nur ansah. Am liebsten aber hatte es die Großmutter. Die wußte gar nicht, was sie dem Kinde alles geben sollte. Einmal schenkte sie ihm einen roten Schutzhelm zum Radfahren, Schlittschuh – oder Rollschuhlaufen. Weil er ihm so gut stand und es ihn gerne aufsetzte, hieß es bei seinen Eltern Rothelmchen.

 

Eines Tages sprach die Mutter zu ihm: „Komm her Rothelmchen, hier hast du ein Stück Kuchen und eine Flasche Wein, bring beides der Großmutter. Sie ist krank und schwach und sie soll sich daran laben. Mach dich auf den Weg, bevor es heiß wird und geh‘  nicht vom Weg ab, sonst fällst du und zerbrichst die Weinflasche, und die Großmutter hat nichts. Wenn du in die Stube kommst vergiß nicht guten Morgen zu sagen und guck nicht erst in allen Ecken herum.“ „Ich will schon alles gut machen,“ sagte Rothelmchen zur Mutter und gab ihr die Hand darauf.

Darf ich bitte mit dem Fahrrad fahren, da bin ich schneller dort.“  „ Ja, aber sei vorsichtig, der Weg ist sehr holperig,“ warnte die Mutter. Die Großmutter aber wohnte draußen im Wald eine Stunde vom Dorf entfernt. Als nun Rothelmchen in den Wald kam, begegnete ihm ein Wolf. Rothelmchen aber fürchtete sich nicht vor dem wilden Raubtier, weil es gehört hatte, daß Wölfe unter Naturschutz stehen und keinem Menschen etwas Böses antun. -----

„Guten Tag, kleines Mädchen,“ hechelte der Wolf. „Schönen Dank, Wolf.“  „Wohin so früh  mit dem Fahrrad ?“  „Zur Großmutter.“  „Was hast du im Rucksack ?“ „Kuchen und Wein für die kranke, schwache Großmutter. Sie soll sich daran stärken.“   Der Wolf spitzte die Ohren und fragte listig: „Wo wohnt denn deine Großmutter ?“  „Noch eine halbe Stunde weiter, bis zu den drei großen Eichen. Da steht ihr Haus.“ Rothelmchen wunderte sich über die Neugier des Wolfes, und bekam es doch mit der Angst zu tun. Denn es kannte das uralte Märchen vom Rotkäppchen, das samt Großmutter vom Wolf gefressen worden war, Der Wolf aber dachte wie alle Wölfe, Hunger kennt keine Schranken. Ich brauche Fleisch, Fleisch, Fleisch – egal welches

Vielleicht hat die Großmutter Hühner und Kaninchen. Oder aber ! Er lief ein Weilchen neben Rothelmchen her und sprach mit einschmeichelnder Stimme: „Sieh einmal die schönen Blumen . Willst du deiner Großmutter nicht einen schönen Strauß pflücken ?“ Rothelmchen sah die schöne Waldwiese mit Erstaunen, ließ ihr Rad stehen, lief vom Weg ab, und fand immer schönere Blumen, je weiter sie vom Weg weg lief. Darauf hatte der Wolf nur gewartet. Er schnappte sich das Fahrrad, eierte und wackelte anfangs hin und her. Dann hatte er den Bogen raus und radelte direkt zum Haus der Großmutter.

Als Rothelmchen zum Weg zurückkam, fand es natürlich das Rad nicht und erschrak heftig. Sollte der Wolf……..dachte es. Schnell wählte es Großmutters Telefonnummer. Hustend und prustend meldete diese sich: „Was gibt es denn ?“  „Ach, liebe Großmutter, ein Wolf ist mit meinem Fahrrad zu dir unterwegs. Er nahm es einfach weg, als ich für dich Blumen pflückte. Er hat bestimmt etwas Böses im Sinn. Denk nur an das Rotkäppchen und den Wolf von ganz früher“.  „Ach mach dir keine Sorgen“, meinte die Großmutter. Du weißt, ich bin eine moderne Großmutter und gegen Räuber aller Art geschützt.

 Ich habe einen Rauchmelder, eine Überwachungskamera und eine Alarmanlage im Haus. Um die Schafwiese verläuft ein elektrisch geladener Stacheldrahtzaun. Das Gartentor läßt sich nur durch meine Gegensprechanlage öffnen. Nun soll der gefährliche Wolf nur kommen. Kaum hatte dies die Großmutter gesagt, hörte sie das ängstliche Blöcken der Schafe. Kein Wunder, der Wolf gierig und hungrig schlich sich an die Schafe heran, wollte über den Zaun springen blieb aber daran hängen, bekam einen leichten Stromstoß und blieb leicht gelähmt am Zaun liegen. Zugleich heulte die Alarmanlage schrill auf und betäubte die Wolfsohren. Großmutter sah alles auf dem Bildschirm und bekam doch Angst, weil Rothelmchen noch draußen war. Zum Glück hatte der Förster den durchdringenden Heulton der Alarmanlage gehört und eilte schnell herbei.

Inzwischen hatte sich der Wolf blutend und halb taub aber noch hungriger und wütender aufgerappelt und wollte Großmutters Kaninchen fressen. Doch das Gartentor war zu. Großmutter fragte leise: „Wer ist da ?“ Der Wolf bellte zornig: „Wer sollte es sein ? Dein Rotkäppchen will herein und bringt dir Kuchenund Wein“. „Nein, du lügst, ich sehe es genau, du bist ein räuberischer Wolf. Wenn dir dein Leben lieb ist, dann eile zu Deinesgleichen“. Inzwischen war der Jäger angekommen, schoß eine Betäubungsspritze in den Leib des Wolfes und wartete bis er einschlief. Nun war auch Rothelmchen zur Stelle weinte und jammerte: „Was sollen wir nur tun ? Der Wolf ist zwar ein wildes Raubtier, steht aber unter Naturschutz. Wir dürfen ihm nichts antun“. Der Förster beruhigte Rothelmchen: „ Sei getrost, ich knipse dem Wolf einen Sender mit einer Nummer und dem heutigen Datum ins Ohr. So können die Forscher Wanderwege des Wolfes  verfolgen und sehen, ob er zu einem Rudel gehört. Kaum war der Sender am Ohr, erwachte der Wolf, fauchend und bellend. Großmutter ließ noch einmal die schrille Sirene ertönen, Uie – uie – uie – uie und hast du nicht gesehen flüchtete der Wolf in großen Sätzen in den Wald. Hoffentlich auf Nimmerwiedersehen. Rothelmchen will aber nun vorsichtshalber nicht mehr vom Wege abgehen.

          Liebe Kinder, findet ihr das in Ordnung ?

 

                                                                                              Marga Schwarze

                                                                                              Juni 2014